Vizekusen

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Vizekusen, englisch Neverkusen („Niemalskusen“) ist ein im Fußballjargon und Sportjournalismus gängiger Spitzname für den Fußballverein Bayer 04 Leverkusen. Er entstand um 2000, als Bayer sich als Spitzenverein etablierte, aber (Stand 2012) nach 1993 nie mehr als den zweiten Platz in etlichen nationalen und internationalen Turnieren erreicht hat. Der 2. Platz wird umgangssprachlich häufig als „Vize-“ bezeichnet. Die Muttergesellschaft des Vereins, die Bayer AG, hat sich den auch selbstironisch gebrauchten Begriff neben anderen als geschütztes Markenzeichen eintragen lassen. Die englische Bezeichnung wird als Geusenwort von Fans des Vereins verwendet. [Neverkusen Podcast|http://www.neverkusen-podcast.tk]

Im übertragenen Sinne wird der Begriff zumeist auf den Ligakonkurrenten Bayern München gemünzt.

Entstehung

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nannte bei seiner Wochenschau im Mai 2012 den 15. Mai 2002, das Finale der UEFA Champions League 2001/02, die Geburtsstunde von „Vizekusen“. Andere benennen den 20. Mai 2000 als Beginn des Mythos „Vizekusen“. Leverkusen hatte vor dem 34. Spieltag der Fußball-Bundesliga 1999/2000 drei Punkte Vorsprung auf den FC Bayern und verfehlte, u. a. durch ein Eigentor von Michael Ballack, gegen Aufsteiger Unterhaching den möglichen Meistertitel.

Die mehrfachen Finalteilnahmen ohne Titel des Vereins in der Saison 2001/02 trugen ebenso zur Etablierung bei. Bayer Leverkusen ist eine von sechs deutschen Mannschaften neben dem FC Bayern München, Borussia Dortmund, dem Hamburger SV und Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt, die jemals das Finale der Champions League bzw. des Europokals der Landesmeister erreichte und die bisher letzte Mannschaft, die zu diesem Kreis stieß.

Leverkusen gelang es 2001/2002 in allen drei Wettbewerben (Liga, Pokal, international) innerhalb einer Saison um den ersten Platz zu spielen, man belegte aber, als erste deutsche Mannschaft überhaupt, nur jeweils den zweiten Platz. Die Mannschaft geriet danach in erhebliche Turbulenzen und musste in der Folgesaison gegen den Abstieg kämpfen. Dem damaligen Kapitän Michael Ballack wurde unterstellt, als Inbegriff des ewigen Zweiten regelmäßig bei wichtigen Spielen zu versagen.

Übertragene Verwendung

Der Begriff war wiederholt in der überregionalen Presse zu finden und wurde auch bei anderen Vereinen bei ähnlichen Phänomenen angeführt. 2012 wurde in Zusammenhang mit dem jeweils zweiten Platz in Champions League, Meisterschaft und DFB-Pokal des FC Bayern München von einem Jahr verpasster Chancen in der Vereinsgeschichte der Münchener gesprochen. Die Presse kam wiederholt mit dem Begriff Vizekusen-Syndrom oder in Anklang an Web 2.0 Vizekusen 2.0. auf. Aufgrund der Schwierigkeiten der Leverkusener nach den verlorenen Finale wird bei den Bayern von einem Vizekusen-Stigma gesprochen, das es möglichst schnell abzulegen gelte. Das Kicker-Sportmagazin sah das Attribut hingegen positiv. Dem Ligakonkurrenten wurde unterstellt, Leverkusen mit dem Spottwort verunsichern zu wollen.

2010 sprach die Süddeutsche Zeitung von Unbesiegbarkusen, als Bayer 24 Mal in Folge ungeschlagen vom Platz ging. Die Meisterschaft blieb unerreicht.

Im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft 2012 kamen auch Befürchtungen auf, ein Vizekusen- oder Vize-Bayernsyndrom könnte sich wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 auf die Spieler der jeweilig betroffenen Vereinsmannschaften in der Nationalmannschaft übertragen.

Im Volksmund wird das Leverkusener Autokennzeichen LEV inzwischen spottend als Abkürzung für "Lebenslang ein Vize" gedeutet.

Rechtliche Aspekte

Das Mutterunternehmen der Werkself, die Bayer AG, hat sich 2010 den Begriff Vizekusen beim Deutschen Patentamt in München als Markennamen schützen lassen, um nach eigener Aussage „Missbrauch vorzubeugen“. Der Einsatz von Schutzrechten, neben Vizekusen unter anderem auch für den Begriff Pillendreher wird als Teil einer gekonnten und selbstironischen Marketingstrategie der Bayer AG angesehen. Mit dem ebenso geschützten Meisterkusen war über die Zweitplatzierungen 1997, 1999, 2000, 2002 und 2011 hinaus bislang kein Erfolg zu erzielen.

Weitere Erwähnung

Klaus Hoeltzenbein kommentierte 2012 den Aufstieg der SpVgg Greuther Fürth unter dem Titel Wenn Vizekusen und die trägen Riesen kommen als Zeichen für den Aufstieg reger Provinzvereine gegenüber den seiner Ansicht nach sich selbst überschätzenden Großstadtclubs.

Dem FC Schalke 04 wurde am Ende der Saison 2000/2001 von einigen Sportjournalisten der freundlicher klingende Titel Meister der Herzen verliehen. Wie Leverkusen hatte Schalke am letzten Spieltag den schon sicher geglaubten Meistertitel in der Nachspielzeit der letzten Partie verfehlt, ähnlich in den Spielzeiten 2004/05 und 2006/07 sowie 2009/10. Schalke und Leverkusen sind in der kompletten Geschichte der Fußball-Bundesliga bis heute die einzigen Vereine, die häufiger als einmal Vizemeister wurden, ohne jemals Meister werden zu können. Und das mit deutlichem Abstand vor allen anderen Klubs: Schalke wurde sechsmal Zweiter, Leverkusen fünfmal. Jedoch konnte Schalke zumindest bereits vor Gründung der Fußball-Bundesliga ganze sieben Mal Deutscher Meister werden.

Die vergeblichen Anläufe Leverkusens, einen Titel zu erringen, wurden unter der Bezeichnung Neverkusen in mehreren englischen Büchern angeführt und mit einer klassischen Tragödie wie auch dem Schicksal des Sisyphos verglichen.

Literatur

  • Ted Richards (Hrsg.): Soccer and Philosophy: Beautiful Thoughts on the Beautiful Game. Open Court, Chicago 2010, ISBN 9780812696769.
  • Donn Risolo: Soccer Stories: Anecdotes, Oddities, Lore, and Amazing Feats Donn Risolo. University of Nebraska Press, Lincoln 2010, ISBN 9780803230149.

Weblinks